Award Benninghaus 2014
Der VBK Kunstpreis, gestiftet von den Mäzenen Barbara und Michael Benninghaus, wird jährlich an einen Künstler des Vereins Berliner Künstler vergeben. Mit dem Preis wird ein Werk ausgezeichnet, welches stellvertretend für das Gesamtschaffen des Künstlers steht. Der Preis umfasst ein Preisgeld sowie eine Einzelpräsentation (März/ April 2015) des Preisträgers in der Galerie des VBK.
Die externe Fachjury 2014 bildeten Prof. Dr. Shulamit Bruckstein, Dr. Anne Marie Freybourg und Dr. Helen Adkins.
Aus den eingereichten Arbeiten von 20 Künstler_innen des Vereins Berliner Künstler aller Sparten der Bildenden Kunst, sprachen sie sich, nach eingehender Diskussion und besonderer Würdigung, für die Diaprojektion „Die Summe der Teile“ von Carolina Patiño Mayer mit folgender Begründung aus:
„... Bei der Arbeit ‚Die Summe der Teile’ von Carolina Patiño Mayer handelt es sich um eine Zusammenstellung von Seiten aus ihren Foto- und Skizzenbüchern der Jahre 2007 bis 2014, die in einer Diaprojektion vorgestellt werden. Die mit einem klassischen Kodak Carousel Projektor programmierte Schau dauert insgesamt knappe 5 Minuten und besteht aus 81 Diapositiven. Die Projektion ist kleinformatig und behält den privaten Charakter der Arbeitsvorlagen. 54 ausgewählte Seiten in Farbe, Schwarz-Weiß, von unterschiedlicher Dichte, mit einzelnen und seriellen Arbeiten, werden in zügiger Folge vorgestellt. Dazwischen sind weiße Bilder, die Denkpausen ermöglichen, damit wir als Betrachter unseren Blick immer wieder neutralisieren können. Gleichzeitig trennen die Leerstellen verschiedene Projekte voneinander und dienen der Rhythmisierung der Präsentation. Die Projektion führt uns in die Findungswelt der Künstlerin, in ihren Arbeitsprozess hinein. Nach ihren Worten stellt die Vorführung ‚meine fotografische Arbeit von der Entstehung der Idee bis zum fertigen Print dar’, sie zeigt die ‚Gedankengänge, Motivfindung, Verknüpfungen und Entscheidungen des fotografischen Prozesses’.
Die Motive werden in ihrer Vielschichtigkeit gefeiert. Ein einzelner Durchgang der Projektion reicht nicht, um die Informationen der Bilder zu verarbeiten; weitere Durchgänge wecken immer mehr Neugierde, in den kreativen Prozess einzutauchen. Schließlich möchte man als Betrachter die fertige Arbeit in Augenschein nehmen, mit dem Gefühl, in ihr inneres Leben eingeweiht worden zu sein.
Aber es geht nicht nur um die Einbeziehung des Betrachters: ‚Die Summe der Teile’ ist selbstreflexiv und stellt Fragen nach der eigenen Wahrnehmungssensibilisierung in den Vordergrund. Die Arbeit ist wie ein persönlicher Beleg für den gesamten Werkzusammenhang, eine anschauliche Reflexion über den aktuellen Standpunkt und ein Labor für die Zukunft.
Carolina Patiño Mayer arbeitet mit Fotografie, ist aber keine klassische Fotografin. Im Spiel von Doppelbelichtungen, seriellen Kontaktbildchen, 360° Ansichten, Blitzbildern, Negativdrucken, Unschärfen und Vielem mehr, experimentiert die Künstlerin ganz frei mit allen Mitteln der analogen Fotografie. Jedes Motiv verlangt nach einer eigenen fotografischen Form. In dem kontinuierlichen Prozess, die an einem Ort vorgefundene Struktur, Bewegung, Materialität und Farbigkeit zu erfassen, ist die Arbeit allerdings konzeptuell zu verstehen und geht stark ins Malerische, bzw. ins Skulpturale über. Die Fotografie scheint hier ein lebendiges Medium zum Ertasten von unterschiedlichen Wirklichkeiten zu sein. Manche Bilder bestechen durch ihre Schönheit, es geht aber weniger um den Schein und vielmehr um die Wiedergabe charakteristischer Werte des Motivs. ‚Die Summe der Teile’ kann auch als eine zeitgenössische Form von persönlicher Wunderkammer gelesen werden.“
prämierte Arbeit: https://vimeo.com/233226057
Preisträgerehrung, auf dem Foto: Herr und Frau Benninghaus, Sabine Schneider, Vorsitzende des VBK. Foto Dietrich Graff
Award from the artists association Eisenturm, 2010
Laudatio Prof. Lothar Bertrams, Eisenturm Preis >Inszenierte Fotografie< für die Arbeit Raumzeichnung, 2010
Preisträgerin Maria Carolina Patino Mayer
"Da ist ein lautloses Flirren, ein Vibrieren im Bild.
Stäbe, Flächen, ein Haus, ein Kubus.
Eine Figur (eine Frau, nur Hände und Gesicht sind von ihr zu sehen), von drei Seiten dargestellt, kubistisch auch dies.
Wird hier ein Haus gebaut? Geht es um Hausbau, um Nestbau, um die Frau? Das hätte etwas sehr archaisches.
Raffiniert sind die Bildränder eingesetzt als Teil des Bildnisses, als Pfosten, als Eckbegrenzungen des ideellen Kastens. Absurd, wie die Gestänge der Heizungsinstallation, die Zugbänder der Fenstermechanik, die Funktionen der Haustechnik irgendwo beginnen und irgendwo enden, angeklebt an die Leere. Wie chinesische Schriftzeichen auf dem Blatt.
Aus dem nichts, aus dem schwarzen Bildgrund, erscheinen die Formen als isolierte Bildfragmente, per Mehrfachbelichtung ins schwarzweisse Aufnahmematerial gestanzt. Nur Licht bildet sich in der Silbergelatine ab, Licht ist alles, Schatten ist nichts. Das Bild entsteht über einen gewissen Zeitraum hinweg, Segment nach Segment, Belichtung nach Belichtung und es ist gleichgültig, in welcher Reihenfolge, nach welchem Bauprinzip das geschieht. Da kommt oben zuerst das Dach, dann eine Wand, dann eine andere. Die unteren Teile auch irgendwann. Das Haus ist in der Konzeption ja bereits fertig, steht in der Vorstellung ja schon.
Weil der Blickkontakt fehlt, fehlt ein Gegenüber. Vorne - hinten, Oben - unten, die Figur beherrscht omnipotent die Dimensionen, wobei ihre berührenden Hände zart das erstaunlich Unschwere ertasten. Ein konzentriertes Spiel liegt auf den Gesichtszügen der Frau, heiliger Ernst bildet sich in der Mine ab.
Es ist eine Versuchsanordnung, ein System, eine Simulation, eine Idee.
Die Idee, die Theorie siege über die Realität.
Zugleich wird der dingliche Heizkörper aber Teil des ideellen Raumes. Die Technik gehört zu beiden Welten, kombiniert und versöhnt den realen mit dem ideellen Raum.
Die Theorie verbinde und versöhne sich mit der Wirklichkeit, möchte man vermuten.
Es kann ja während der Aufnahme so nicht ausgesehen haben. Was wir nicht sehen: Wie bei einem schwarzen Theater sind die handelnden Figuren unsichtbar, nur die hell beleuchteten Objekte erscheinen. Wir -die Betrachter und die Fotografin- kommen überein, dass die Dinge umherfliegen dürfen, wir wollen getäuscht werden von schwarzem Samt und Neonlicht, wir vereinbaren miteinander das Unmögliche, wir sind Komplizen der Inszenierung.
Mit Absicht und Akuratesse sind die dunklen „Verkehrsflächen“, Wände und Boden in schwarz getaucht, damit der ideelle Raum nicht vom realen Raum gestört werde. Das Gedankengebäude entsteht im inneren des echten Raumes. Wäre man beim Akt des Fotografierens dabei, würde man nichts erkennen. Erst in der langen Dauer der Langzeitbelichtung entsteht das latente Bild, als Belichtungsspuren auf dem Film in Addition des Leuchtens und Strahlens.
Die Fotografie als schwarzes Loch. Wer dieses Bild versteht, versteht die Fotografie.
Maria Carolina Patino Mayer kam mit 17 im Rahmen eines Schüleraustausches von Argentinien nach Deutschland. Sie ist eine Reisende zwischen Buenos Aires, ihrem Geburtsort im Landesinneren und immer wieder Deutschland. 1998 begann Patino Mayer an der FU in Berlin Kunstgeschichte zu studieren, dann schloss sich ein Studium der bildenden Kunst bei Tony Cragg und Florian Slotawa an. Das Interesse an der Thematik: Instabilität von Zuständen, an Mehrzeitigkeit, an fundamentaler Infragestellung des Normativen verbindet Patino Mayer inhaltlich mit ihren berühmten Lehrern, darum hat sie sie gefunden.
Patino Mayers Bildthemen umkreisen existentielle Fragestellungen an das Selbst, es sind Akte der Selbstvergewisserung, verorten die eigene Präsenz im gesellschaftlichen Kontext. Es sind Kompositionen, die formal und grafisch faszinieren, die auch die Fotografie als technischen Prozess ausloten und ins Zentrum treffen mit der Frage: Wie verhalten sich Bildfläche zu Bildraum zueinander!
Es sind bislang ungesehene formale Bildfindungen über rhetorische Räume, sie zeugen von der Liebe zur Formensprache der Fotografie."
prämierte Arbeit:
RAUMZEICHNUNG 1, 2010, series of 4 pictures, 61, 5x 51, 2 cm, b & w print